Kein Fremdvergleichsgrundsatz in Abstraktion vom nationalen Steuerrecht – das Urteil des EuGH in der Causa Fiat Chrysler Luxemburg

Am 8.11.2022 hat der EuGH das im Rechtsmittel angefochtene Urteil der Vorinstanz betreffend einen Steuervorbescheid, den das Großherzogtum Luxemburg gegenüber der Fiat Chrysler erlassen hatte, aufgehoben. Die Kommission hatte diesen mit Beschluss vom 21.10.2015 als staatliche Beihilfe eingestuft; die gegen diesen Beschluss eingereichten Klagen wurden vom EuG abgewiesen. EU – beihilferechtlich bedeutsam ist das Rechtsmitteljudikat zentral deshalb, weil es einen der Pfeiler umreißt, der die Beschlusspraxis der Kommission in Fällen betreffend sog. Steuervorbescheide gegenüber multinational tätigen Unternehmensgruppen trug. Die Kommission hat nämlich in ihrer Praxis den sog. Fremdvergleichsgrundsatz, mit Hilfe dessen Transaktionen innerhalb einer solchen international agierenden Unternehmensgruppe mit denen zwischen konzernunverbundenen Unternehmen verglichen wurden, als stets anwendbar angesehen und zwar unabhängig davon, ob dieser Fremdvergleichsgrundsatz in dem nationalen Steuerrecht des Mitgliedstaats, der den Steuervorbescheid erlassen hatte, verankert ist oder nicht. Gestützt hat die Kommission diese Auffassung auf das Urteil des Gerichtshofes in Sachen belgische Koordinationszentren aus dem Jahre 2006 (vgl. verb. Rs. C – 182/03 und C – 217/03, Belgien und Forum 187 ASBL ./. Kommission). Dieser vom Gericht der EU mitgetragenen Auffassung erteilte der EuGH nunmehr eine klare Abfuhr. Mitnichten lasse sich aus dem Urteil betreffend den belgischen Fall ableiten, dass die Kommission berechtigt sei, den Fremdvergleichsgrundsatz in Abstraktion von den Regelungen des anwendbaren nationalen Steuerrechts anzuwenden (so im Übrigen bereits Bartosch, Transferpreisvereinbarungen im international operierenden Konzern als unerlaubte Beihilfen – ein Paradigmenwechsel in der EU-Wettbewerbskontrolle, BetriebsBerater 2015, 34-37).