Beihilfen und Krisen und was diese mit dem Sirtaki zu tun haben

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Es war im Jahre 2006, als ich als junger Mann an der FIDE-Tagung teilnahm, die damals in Limassol im griechischen Teil Zyperns stattfand. Eines der drei Themen dieser Tagung bildete das EU-Beihilfenrecht, der Titel, der da lautete „State aid: The effective application of EU State aid procedures: From a plan to grant aid to the recovery of illegal aid – the role of national law and practice“, war mitnichten geeignet, literarisches Lesevergnügen zu versprechen. Auch wenn viele der Vorträge, die auf dieser Konferenz gehalten wurden, noch mehr Anlass zum Einschlummern boten als dieser Titel, so bleibt mir doch die wache und schöne Erinnerung an den Abschlussabend; auf diesem wurde nämlich zu der Musik von Mikis Theodorakis der berühmte Sirtaki getanzt.
In den fünfzehn Jahren, die seit dieser Tagung vergangen sind, ist das EU-Beihilfenrecht nicht nur zwei Male umfassend reformiert worden, einmal durch den „Aktionsplan Staatliche Beihilfen“ und ein weiteres Mal durch die „Modernisierung des EU-Beihilfenrechts“. Vor allem sind drei Krisen über die Union hereingebrochen, die jede für sich das EU-Beihilfenrecht herausgefordert haben. Bereits ein Jahr nach der 2006er FIDE Tagung wurde Europa durch die Finanzmarktkrise getroffen; in Reaktion auf diese wurden sektorspezifischeRegeln für Banken geschaffen, von denen einige bis heute fortbestehen. Gleichsam nahtlos (oder vielmehr sich sogar zeitlich mit dieser ersten Krise verzahnend) schloss sich die Staatsschuldenkrise an; Erinnerungen werden wach an die sog. Troika, bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, die u.a. Griechenland besuchte, um als Gegenleistung für die Gewährung von Finanzhilfen die Kürzung von Sozialleistungen, Renten und Gehältern durchzudrücken. Und schließlich kam dann Ende des Jahres 2019 die immer noch andauernde Covid-Krise, die wiederum das Beihilfenrecht in besonderer Form herausforderte. Fünf mal wurde der sog. Befristete Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 bereits modifiziert bzw. weiterentwickelt. Nach derzeitigem Stand soll dieser zwar zum Ende des Jahres 2021 auslaufen, aber es werden schon seit einiger Zeit Stimmen (aus den Mitgliedstaaten) laut, die mehr oder weniger offen dafür werben, die durch diesen Rahmen geschaffenen Wohltaten in die Zeit nach der Pandemie zu überführen.
M.a.W. Krisen schaffen Veränderungen des Beihilfenrechts, welche die Krisen selbst zu überleben imstande sind. Zurück zum Sirtaki: Erinnert man sich an den wunderbaren Film „Zorbas the Greek“, der mit diesem Tanz am Strand der griechischen Insel Kreta endet, so ereignete sich ja, just bevor Anthony Quinn und Alan Bates zu tanzen begannen, auch eine Krise. Oder genauer gesagt drei Krisen, denn drei Baumstämme wurden einer nach dem anderen mit der frisch gebauten Seilbahn auf den Weg ins Tal geschickt, bis nach der dritten Anrufung durch den anwesenden Priester diese Seilbahn in sich zusammen brach.
Drei Krisen in Europa, auf die die Union mit dem Beihilfenrecht antwortet. Drei Krisen in der Geschichte über den Roman- und Filmhelden Zorbas, auf die zwei Männer mit dem Sirtaki antworten.Vor wenigen Wochen, am 2. September 2021 ist der Komponist Mikis Theodorakis gestorben. Ja, das Beihilferecht ist und wird durch Europas Krisen sicher auf längere, vielleicht auf lange Zeit verändert bleiben. Aber was ist das im Vergleich zu den Veränderungen in Musik und Film, die der Sirtaki hinterlassen hat? Und es ist gerade dieser Sirtaki, der mich bis heute an die FIDE-Tagung in der Zeit vor all diesen Krisen erinnert.
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