Beihilfe „sui generis“

Bereits im Jahre 2019 hatte es der EuGH in zwei vielbeachteten Judikaten abgelehnt, eine Beihilfe, die ein Mitgliedstaat nach seiner eigenen Selbstveranlagung als nach der Allgemeinen Gruppenfreistellung freigestellt erachtet, als „genehmigte“ und daher als bestehende Beihilfe anzuerkennen (vgl. EuGH, Urteil vom 5.3.2019, Rs. C-347/17, Eesti Pagar, ECLI:EU:C:2019:172 und EuGH, Urteil vom 29.7.2019, Rs. C-654/17 P, BMW ./. Kommission, ECLI:EU:C:2019:634). Die daher von mir seit längerer Zeit vertretene Auffassung, dass eine nach der AGVO freigestellte Beihilfe eine Beihilfe „sui generis“ und keine bestehende Beihilfe sei, hat sich daher bestätigt.
Damit ist indes die Hoffnung vieler auf Seiten der Kommission wie auf derjenigen der Mitgliedstaaten entfallen, dass eine Freistellung automatisch die so ersehnte Rechtssicherheit bringen würde.
Praktische Folge ist, wie sich erst jetzt abzeichnet, ein exponentieller Anstieg von formellen Notifizierungen sowie Anträgen auf Verbescheidung durch einen sog. „Comfort Letter“. Die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, die als Grundlage für eine umfassende Rechtssicherheit qua Selbstveranlagung der Mitgliedstaaten dienen sollte, sieht sich damit einer gewissen Entzauberung ausgesetzt.
Dass dies durch die mitgliedstaatlichen Gerichte nicht immer korrekt nachvollzogen wird, hiermit befasst sich ein im Erscheinen begriffener Zeitschriftenbeitrag (vgl. Achleitner/Bartosch/Bieber, Zur Freistellung von Beihilfen nach der AGVO – gesetzlicher Anspruch und Wirklichkeit).